Die „Überfettung“ auf der Verpackung oder dem Beileger von Naturseife gibt an wie pflegend die Seife ist. Die Angabe wird in Prozent gemacht. Je höher die Zahl ist, desto milder ist die Seife und desto weniger Reinigungskraft hat sie. Darum soll z.B. Haarseife eine Überfettung von 4-6% haben. So reinigt die Seife deine Haare gut, trocknet sie aber nicht aus.
Vielleicht hast du dich schon gewundert warum der Begriff „Überfettung“ in meinen Artikeln über Naturseife meistens in Anführungsstrichen steht. Der Grund ist einfach: Eine kaltgerührte Seife kann gar nicht überfettet sein. Zumindest nicht genau zu dem Prozentsatz der geplant wird. Darum ist die Bezeichnung „Überfettung“ in Zusammenhang mit kaltgerührten Seifen nicht richtig. Der Begriff ist inzwischen aber umgangssprachlich, darum verwenden ihn fast alle Seifensieder.
Warum ist das so?
Der Grund liegt im Herstellungsvorgang von Seife. Naturseife entsteht aus Fetten und Ölen unter Zugabe von Natriumhydroxid (NaOH). Fette und Öle sind sogenannte Triglyceride. Sie bestehen aus einem Glycerinmolekül an das 3 Fettsäuremoleküle gebunden sind. Durch Zugabe von in Flüssigkeit gelöstem NaOH werden diese Verbindungen gespalten. Dabei entsteht ein Glycerinmolekül und 3 einzelne Seifenmoleküle. Dies nennt man Verseifung. Gibst du nun genau so viel NaOH zu den Fetten und Ölen dass alles verseift wird, werden alle Verbindungen der Fettsäuremoleküle zu ihrem jeweiligen Glycerinmolekül gespalten.
Gibst du weniger NaOH hinzu werden nicht alle Fette und Öle vollständig verseift. Das bedeutet nicht alle Verbindungen können gespalten werden. Nur nimmt sich das NaOH nicht genau eine Triglycerid-Verbindung nach der anderen vor und spaltet diese vollständig auf um sich danach die nächste vorzunehmen. Vielmehr werden von vielen Verbindungen alle Fettsäuremoleküle abgetrennt, von einigen aber nur ein oder zwei Fettsäuremoleküle. Nicht unmöglich, aber eher unwahrscheinlich ist es, dass tatsächlich ganze Triglycerid-Moleküle intakt bleiben.
Schauen wir uns nun die teilweise gespaltenen Moleküle an, stellen wir fest das es sich entweder
- um ein Glycerin-Molekül mit einem oder
- ein Glycerin-Molekül mit zwei angebundenen Fettsäuremolekülen
handeln kann.
Diese Verbindungen nennt man Monoglyceride (ein Fettsäuremolekül) und Diglyceride (zwei Fettsäuremoleküle). Mono- und Diglyceride sind jedoch keine Fette sondern Emulgatoren. Sie werden vor allem in der Lebensmittelindustrie eingesetzt.
Da der Verseifungsprozess mehrere Stunden bis Tage dauert, hat der oder die Seifensiederin im Kaltverfahren darum keinen Einfluss auf eine Überfettung.
Laugenunterschuss beim Kaltverfahren – Überfettung beim Heißverfahren
Der Unterschied von 6% im Vergleich zu 1% “Überfettung” bei kaltgesiedeten Seifen:
Im Endprodukt sind weniger Seifenmoleküle und mehr Emulgatoren enthalten. Darum ist die Seife mit 6% “Überfettung” milder. In diesem Zusammenhang wäre es korrekter von Laugenunterschuss zu sprechen nicht von “Überfettung”. Laugenunterschuss deshalb, weil weniger Lauge eingesetzt wird als zur vollständigen Verseifung notwendig wäre. Für den Verbraucher wäre das aber eventuell verwirrend.
Stellst du selbst Seife her ist das Wissen um die Überfettung wichtig, damit du individuelle Seifenrezepte erstellen kannst. Je nach dem, welche Eigenschaften deine Seife haben soll, kannst du so zwischen dem Kaltverfahren und dem Heißverfahren wählen.
Eine echte Überfettung ist nämlich nur beim Heißverfahren möglich, da hier die Verseifung abgeschlossen ist wenn die Seife aus dem Ofen geholt wird. Das Überfettungsöl wird erst danach in die Seife gegeben. Am besten funktioniert das, wenn mit mehr Flüssigkeit gearbeitet wird.
Beispiele aus dem Shop mit hoher und niedriger “Überfettung”: